Neues Positionspapier: Verfahren auf EU-Ebene stellen Ethanol infrage
Verbände und Organisationen wenden sich gegen angedachte Einstufung als CMR-Stoff

Tuttlingen – 14 Verbände und Organisationen der Gesundheitsindustrie informieren in einem gemeinsamen Positionspapier, welche Auswirkungen die durch die Europäische Chemikalienagentur (ECHA) beabsichtigte Neueinstufung von Ethanol für den Gesundheitsbereich hätte. Die Unterzeichner, darunter die MedicalMountains GmbH, fordern, dass die angedachte Einstufung von Ethanol als CMR-Stoff gestoppt wird. Denn: Ethanol ist im Gesundheitswesen unverzichtbar, besonders in Desinfektionsmitteln, bei der Verwendung von Medizinprodukten und der Herstellung von Arzneimitteln.
Biozidstoffe werden in der EU regelhaft auf ihre Gefahren für Mensch, Tier und Umwelt bewertet. Derzeit läuft ein Verfahren zur Gefahrenbewertung von Ethanol im Rahmen der EU-Biozidprodukteverordnung (EU) Nr. 528/2012 (BPR-Verfahren) und nachgelagert zur harmonisierten Einstufung und Kennzeichnung (CLH-Verfahren) unter der “Classification, Labelling and Packaging”-Verordnung (EG) Nr. 1272/2008.
Diese Verfahren bedrohen akut den Einsatz von Ethanol im Gesundheitswesen und in der Produktion von Arzneimitteln und Medizinprodukten. Sie könnten weitreichende negative Folgen für den Infektionsschutz und die medizinische Versorgung in Deutschland haben.
Aufgrund seiner starken keimtötenden Eigenschaften ist Ethanol ein wichtiger Schlüssel in der Vorbeugung von Infektionen. Ethanol ist der einzige Alkohol, der vollständig viruzid und umfassend wirksam gegen unbehüllte Viren, wie bspw. Polioviren, ist und eine der wenigen Alkohole, der gegen Noroviren wirksam ist. Abseits von seinem breiten Einsatz in Desinfektionsmitteln spielt Ethanol eine wichtige Rolle bei der Herstellung von Arzneimitteln und Medizinprodukten, bspw. als Extraktions-, Lösungs-, Konservierungs-, Prozess- und Reinigungsmittel sowie in der Laboranalytik.
Im laufenden EU-Biozidverfahren wird eine Einstufung von Ethanol als krebserregend und reproduktionstoxisch der Kategorie 2 oder sogar der höchsten Gefahrenkategorie 1 beabsichtigt. Für Stoffe mit dieser Einstufung gelten Zulassungsbeschränkungen. Eine Genehmigung von Ethanol wäre nur nach einer umfassen-den und zeitintensiven Substitutionsprüfung möglich. Für Ethanol existieren jedoch keine geeigneten Alter-nativen, da diese nicht die gleiche Wirksamkeit aufweisen. Zudem gibt es innerhalb der EU im Gegensatz zu mehreren hundert Ethanolherstellern nur fünf Unternehmen, die die Alternativen (Propanol) herstellen. Eine geringe Anzahl von Herstellern birgt das Risiko für Lieferengpässe.
Bei der Gefahrenbewertung von Ethanol muss der spezifische Expositionsweg berücksichtigt werden
Problematisch an dem Bewertungsverfahren ist, dass die Einstufung hauptsächlich auf Daten zum oralen Konsum alkoholischer Getränke basiert. Ethanol als Biozid wird jedoch nicht oral aufgenommen. Die Aufnahmemengen von Ethanol als Biozid über die Haut oder Inhalation sind aus toxikologischer Sicht unbedenklich.
Bei der Risikobewertung und Klassifizierung von Ethanol im Rahmen des BPR-Verfahrens ist es aus Sicht der Verbände von zentraler Bedeutung, den spezifischen Expositionsweg zu berücksichtigen. Es muss der tatsächliche Anwendungskontext berücksichtigt werden. Nur so kann eine sachgemäße und praxisnahe Beurteilung gewährleistet werden und weitreichende negative Folgen für die öffentliche Gesundheit und die Herstellung von Arzneimitteln und Medizinprodukten verhindert werden.
Die Verbände fordern in einem gemeinsamen Forderungspapier, dass die undifferenzierte und unverhältnismäßige Neueinstufung von Ethanol gestoppt wird.
- Das Positionspapier „Position zur geplanten Einstufung von Ethanol als CMR-Substanz“ kann unter diesem Link bezogen werden.
- Die englische Fassung ist unter diesem Link abrufbar.