Augmented Reality im OP: “Wie in einer anderen Welt”

Keynote nimmt mit an die vorderste Front der Forschung

Tuttlingen – Ein Quantensprung für die Chirurgie, ein Hoffnungsträger für Patienten: In seiner Keynote beim 14. Innovation Forum Medizintechnik spricht Prof. Dr. med. Wolfram Lamadé über die Möglichkeiten von Augmented Reality im OP-Saal – und deren Grenzen, die nur zum Teil technisch bedingt sind..

Die Leber ist seit jeher ein äußerst diffiziles Organ für Chirurgen. Weich, beweglich, veränderlich im Volumen, durchzogen von Gefäßbäumen. Eingriffe bergen stets ein hohes Risiko und stehen im Ruf, „den absoluten Top-Spezialisten vorbehalten zu sein“, sagt Wolfram Lamadé. Aber in der Leberchirurgie verändert sich Grundlegendes. Der Chefarzt für Allgemein- und Viszeralchirurgie berichtet von einem Patienten, bei dem fünf kleine Metastasen in der Leber diagnostiziert wurden. Eine zu entfernen wäre schon „unglaublich schwierig“ gewesen. Aber gleich fünf: nach herkömmlicher Betrachtung keine Aussicht auf Heilung. „Ich hätte nicht operiert“, stellt Wolfram Lamadé klar, wäre nicht Augmented Reality noch eine Option gewesen. Dank ihr sind im Rahmen eines Heilversuchs alle Herde schonend entfernt worden. „In-situ-Simulation“ nennt sich der Weg, bei dem sich wirkliche und künstliche Welt überlappen. „Man kann das reale Objekt greifen und gleichzeitig das virtuelle Abbild fassen“, beschreibt er die Arbeit mit der halbdurchsichtigen Brille. Der Operateur könne perfekt durch die komplexe Anatomie navigieren. „Man schaut in eine durchsichtige Leber und sieht, was wo ist. Es ist wie in einer anderen Welt.“

Wolfram Lamadé widmet diesem „Quantensprung in der Chirurgie“ die Keynote beim Innovation Forum Medizintechnik am 20. Oktober in der Stadthalle Tuttlingen und gewährt einen Einblick in die vorderste Front medizinischer Forschung. Dass durch Augmented Reality Therapiefindung, Exaktheit und Geschwindigkeit gewinnen, daran besteht für ihn überhaupt kein Zweifel. Eher daran, ob das Verfahren tatsächlich bald allen zugutekommen kann. Neben Fragen des Datenschutzes legt die europäische Medizinprodukteverordnung (EU-MDR) sehr strenge Regeln an. Teils zu streng. „Man ist kaum noch in der Lage, neue Methoden zuzulassen“, bedauert Wolfram Lamadé den immensen Aufwand – der nicht selten die Konsequenz nach sich zieht, dass „Produkte nicht mehr bei den Patienten ankommen.“

Auch wenn das regulatorische Korsett eng geschnürt ist: Seine langjährige Begeisterung für das Thema bleibt ungebrochen. Wolfram Lamadé ist Gründungsmitglied der Deutschen Gesellschaft für Computer- und Roboterassistierte Chirurgie e.V. (CURAC) und bei der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie in der Sektion für minimalinvasive, computer- und telematikassistierte Chirurgie aktiv. Entsprechend setzt er alles daran, den klinischen Einsatz von Augmented Reality weiter zu verbessern. Fortschritte erhofft sich Wolfram Lamadé beispielsweise bei der Umwandlung zweidimensionaler Bilddaten in dreidimensionale virtuelle Objekte. Auch bei der automatischen Orientierung in Echtzeit, wo sich die einzelnen Organe im Körper befinden, ist Potenzial für weitere Entwicklungen. Und hier kommt die Medizintechnik ins Spiel: Unternehmen, die sich in diesen Nischen bewegen oder sie noch besetzen möchten. Das Innovation Forum kann die Plattform sein, diese Kontakte zwischen Klinik und Industrie zu knüpfen – um möglicherweise den nächsten „Quantensprung“ auszulösen.

Das Innovation Forum Medizintechnik beginnt an 20. Oktober um 09:00 Uhr, die Keynote von Prof. Dr. med. Wolfram Lamadé um 10:15 Uhr. Das vollständige Programm und weitere Informationen unter diesem Link.