Innovation Forum Medizintechnik: Die Zukunft wird zur Gegenwart

Inhaltsreicher Tag setzt vielfältige Akzente / Virtuelle Welten bringen Patienten handfeste Vorteile

Zukunft

Tuttlingen – Simulation, Robotik und Extended Reality bildeten die Kernelemente, um das Motto „Taking Health to a new Level“ Wirklichkeit werden zu lassen: Das 15. Innovation Forum Medizintechnik in Tuttlingen vermittelte zahlreiche Impulse und Ideen, wie und wohin sich die Branche weiterentwickeln kann. Mit mehr als 500 Teilnehmenden wurde eine neue Rekordmarke erreicht.

Ein CareObot reicht auf der Hauptbühne Mikrofone an. In der „Trial Area“ bugsiert der Service-Roboter „HoLLiE“ einen Rollstuhl durch den Raum. Interessierte schlüpfen ins Exoskelett Noac, das Chirurgen bei ihrer ermüdenden Arbeit entlastet. Mehr als 50 Fachvorträge thematisieren unter anderem virtuelle Menschmodelle zur physiologisch-biomechanischen Produktprüfung, Trainings an Laparoskopen mit VR-Brille und haptischem Feedback, additiv gefertigte Knochenersatzmaterialien. Was vor kurzem noch als ferne Zukunft angesehen werden musste, manifestiert sich in der Tuttlinger Stadthalle als neue Gegenwart.

Innovation braucht Impulse auf allen Ebenen
Gemeinsam mit Jürgen Noailles, seit diesem Sommer Vorstandsvorsitzender von TechnologyMountains e.V., hatte Yvonne Glienke, Geschäftsführerin der MedicalMountains GmbH, das Forum eröffnet. Bei aller Begeisterung für das Erfindertum wusste sie um die Situation der Medizintechniker im Raum: „Wie viel Zeit und Energie können Sie noch in Innovationen stecken?“ Nur sehr wenig, war Yvonne Glienke mit Blick auf wachsende Bürokratie und Regularien klar. Daher brauche es den Einsatz auf politischer Ebene, „die Rahmenbedingungen für Sie als Medizintechnik-Branche zu verbessern“ – genauso aber auch Plattformen, um Trends kennenzulernen, erfolgsversprechende Technologien zu identifizieren, passende Partner für die Umsetzung zu finden. Und genau darum ging es den Tag über.

Die Gespräche auf den Gängen, an Tischen und in der Matchmaking-Lounge verliehen dem Forum das Grundrauschen. Gefragte Dialogpartner waren die mehr als 80 Unternehmen und Institutionen in der begleitenden Ausstellung, darunter am Gemeinschaftsstand des diesjährigen Partnerlands Sachsen-Anhalt. Das Spektrum war facettenreich, denn wie fortschrittlich ein Medizinprodukt sein mag: Auch in Zukunft werden Fertigungsmaschinen, Steckverbindungen, Elektronik-Komponenten, Verpackungen, Sterilisationsdienstleistungen oder unterstützende digitale Tools benötigt.

Medizinprodukten kommt neue Rolle zu
Wohl aber ändert sich die Rolle von Medizinprodukten. Sie sind mehr denn je als Datenlieferanten gefordert, machte Prof. Dr. Dirk Wilhelm in seiner Keynote deutlich. Der Oberarzt an der Klinik und Poliklinik für Chirurgie am Klinikum rechts der Isar (TU München) zeichnete das Bild einer modell-basierten Medizin, die mit Simulation eine patientenspezifische Versorgung gewährleistet. Als vordringlich sah er daher an, die Lücke zwischen realer und virtueller Welt zu schließen. Aktuell seien Daten „sequenziell, analog, von Hand zusammengetragen.“ Nötig sei aber die kontinuierliche digitale Erfassung aller Informationen aus dem klinischen Alltag, um sie strukturieren, interpretieren und schließlich in eine Gesamtarchitektur einordnen zu können – um jene Stufe jenseits des Wissens zu erreichen, die Prof. Dr. Dirk Wilhelm als „Weisheit“ bezeichnete. Auf dieser Grundlage ließen sich etwa Behandlungspläne verfeinern, Voraussetzungen für Präzisionsmedizin schaffen – oder aber, ganz profan, die Wartezeiten von Patienten auf den Stationen verringern.

Klinik-Personal geht mit VR-Brille auf Fehlersuche
Dass in den Krankenhäusern derzeit nicht alles nach Wunsch läuft, darauf verwies ebenso Prof. Dr. Miriam Rüsseler, Leiterin des „Frankfurter Interdisziplinären Simulationstrainings“. Medizinische Fehler gehören zu den häufigsten Todesursachen – weil Zeitdruck herrscht, Stress sowie Mangel an Personal und Kommunikation. Umso wichtiger sei es, das Situationsbewusstsein zu fördern, also „nicht nur auf die Arbeit fixiert zu sein, sondern auch die Umgebung anzuschauen“. Dies leistet der „Virtual Room of Error“, respektive „Horror“. Mit VR-Brillen ausgestattet, spüren die Klinik-Mitarbeiter in einem digitalen Abbild von Behandlungsräumen Unstimmigkeiten auf, bevor sie Patienten gefährlich werden – beispielsweise, dass laut Krankenakte das rechte Bein behandelt werden soll, aber das linke vorbereitet wird. Solche Trainings ließen sich weiterdenken: Anwender könnten im ihr Situationsbewusstsein im Umgang mit Medizinprodukten schulen, öffnete Prof. Dr. Miriam Rüsseler die „virtuelle Tür“ für Hersteller.

Vorbereitungen der 16. Ausgabe laufen
Mit mehr als 500 Teilnehmenden verzeichnete das 15. Innovation Forum Medizintechnik eine neue Rekordmarke. „Wir sind mehr als zufrieden mit der Resonanz im Vorfeld und wie der Tag letztendlich ablief“, bilanzieren Yvonne Glienke und Britta Norwat, Ressortleiterin Innovationsprojekte bei der MedicalMountains GmbH. „Damit wird die Messlatte natürlich nochmals höher gelegt, aber die vielen positiven Rückmeldungen sind eine unglaubliche Motivation“, sagt Britta Norwat – bei der die Zukunft, die 16. Ausgabe am 17. Oktober 2024, längst schon in der Gegenwart angekommen ist.

  • Impressionen vom 15. Innovation Forum Medizintechnik sind unter diesem Link zu finden!