Innovation Forum Medizintechnik: Was “virtuelle Medizin” bedeutet

Prof. Dr. Dirk Wilhelm spannt in seiner Keynote den Bogen von Simulation zur Versorgung

virtuelle Medizin
„Simulation ist das zentrale Element der Gesundheitsversorgung von morgen“, ist Prof. Dr. Dirk Wilhelm überzeugt.
Foto: (c) Klinikum rechts der Isar

Tuttlingen – Das 15. Innovation Forum Medizintechnik widmet am 19. Oktober eine ganze Vortragssession dem Thema Simulation. Warum sich dahinter kein „nice to have“, sondern pure Notwendigkeit im Gesundheitswesen verbirgt, macht Prof. Dr. Dirk Wilhelm in seiner Keynote deutlich – und nimmt dabei auch die Medizinprodukte-Hersteller in die Pflicht. 

„Simulation ist das zentrale Element der Gesundheitsversorgung von morgen.“ Der Oberarzt an der Chirurgischen Klinik und Poliklinik des Klinikums rechts der Isar (TU München) hat eine genaue Vorstellung dessen, wohin der Weg führt: zur „virtuellen Medizin“. Darunter könnte man sich oberflächlich betrachtet eine Welt voller Apps und VR-Brillen vorstellen. Aber das meint Prof. Dr. Dirk Wilhelm nicht. Seine Vision ist ein virtuelles Abbild einer Klinik, anhand dessen Prozesse geplant, überwacht, kontrolliert, optimiert werden. Nicht nur in seiner Einrichtung, sondern ubiquitär.

Prof. Dr. Dirk Wilhelm macht das Abstrakte an einem Beispiel greifbar. Aktuell werden Krebs-Patienten nach der TNM-Klassifikation kategorisiert. Wie groß ist der Primärtumor, sind Lymphknoten befallen, gibt es Fernmetastasen. Drei Eigenschaften sollen einen hochkomplexen Zustand abbilden. Was aber, wenn das Geschlecht, das Alter, das Gewicht, Vor- oder chronische Erkrankungen und weitere Faktoren mitbewertet werden könnten: „Die Aussagen zu Therapie und Behandlungserfolg würden immer präziser werden.“ Selbst die Chirurgen wären Teil dieses Modells, je nachdem, ob ein junger Assistent operiert oder ein erfahrener Chefarzt. Die Technologie könnte in kritischen Bereichen dabei unterstützen, die richtigen Entscheidungen zu treffen – und bei unkritischen Punkten wie Schicht- oder Urlaubsplanung tatsächlich autonom agieren.

Damit eine Simulation funktioniert, braucht sie eines: Daten, Daten und nochmals Daten. Daran besteht in einem Klinikum im Grunde kein Mangel. Der Punkt ist eher: Wie kann all das, was dort jeden Tag notiert, fotografiert, gemessen, befüllt, verbraucht, benutzt oder sogar gesprochen wird, erfasst und ausgewertet werden? Das Krankenhaus-Informationssystem und Protokolle sind naheliegende Quellen. Ausgerechnet die Medizintechnik gehört indes zu den kniffligen Fällen. Da müssen zum Beispiel Leuchtdioden mit Fotodetektoren beklebt werden, um festzuhalten, ob ein Gerät an- oder ausgeschaltet ist. Was kann also die Branche tun? „Das Wichtigste ist, dass wir den Ansatz gemeinsam verstehen und verfolgen“, blickt Prof. Dr. Dirk Wilhelm dem Innovation Forum und den Dialog mit Herstellern entgegen. Erforderlich seien Geräte mit Schnittstellen und adaptive Systeme, mehr Kooperationen zwischen Klinik und Industrie – das Ziel, die Trennung zwischen Medizintechnik und medizinischer Versorgung aufzuheben: „Die Herausforderungen können nur zusammen gestemmt werden.“

Was Prof. Dr. Dirk Wilhelm in seiner Keynote vorstellt, ist weit mehr als Wunschdenken oder ein „nice to have“. Es ist angesichts der schwierigen Rahmenbedingen im Gesundheitswesen pure Notwendigkeit. „Wir wollen durch die Technologie kein Personal ersetzen“, macht er deutlich, „sondern die Ressourcen so verteilen, dass Medizin wieder medizinischer werden kann“ – die Versorgung dank Simulation wieder zu dem machen, was sie in der Realität ausmachen soll.

Die Keynote von „Modell-basierte Medizin – aus der Simulation in eine bessere Versorgung” von Prof. Dr. Dirk Wilhelm beginnt um 10:15 Uhr im Großen Saal.

Weitere Informationen zum 15. Innovation Forum Medizintechnik unter diesem Link.

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