Innovation Forum Medizintechnik: Wo Fehlern bewusst ein Raum gegeben wird
Prof. Dr. Miriam nimmt in ihrer Keynote mit in den “Virtual Room of Error” / Auch für Hersteller öffnen sich Türen
Tuttlingen – „Virtual Reality wird die Zukunft der Aus- und Weiterbildung sein“, sagt Prof. Dr. Miriam Rüsseler – und der „Virtual Room of Error“ ist ein Meilenstein auf diesem Weg: In ihrer Keynote beim 15. Innovation Forum Medizintechnik öffnet die Leiterin des interdisziplinären Simulationszentrums an der Goethe-Universität Frankfurt einen neuen Blick auf die Lehre im Speziellen und die Fehlerkultur im Allgemeinen.
Es kann ein leerer Desinfektionsspender sein. Oder eine Alarmklingel, die auf dem Boden liegt. Wer den Raum betritt, nimmt automatisch Habacht-Stellung ein. Irgendwo auf der Normalstation, in der Notaufnahme, im Operationssaal oder in der Intensivstation sind Dinge nicht so, wie sie sein sollten. Mal offensichtlicher, mal versteckter, beginnt eine akribische Suche nach Auffälligkeiten. Und irgendwann setzt man die VR-Brille wieder ab. Der „Virtual Room of Error“ dürfte eine in der deutschen Kliniklandschaft einmalige Einrichtung sein. „Es geht darum, das Situationsbewusstsein zu trainieren“, erläutert Prof. Dr. Miriam Rüsseler. Darum, Fehler im digitalen Umfeld aufzudecken, bevor sie Personal und Patienten im realen Umfeld gefährlich werden können. Seit 2016 steht sie dem interdisziplinären Simulationszentrum vor. Was analog mit Zimmer, Geräten, Bett und Puppen begonnen hat, findet sich heute vollständig im virtuellen Universum wieder – das jedoch nicht weniger echt ist als das Original: „Die einzelne Räume sind mit einem 3D-Scanner digitalisiert worden“, berichtet Miriam Rüsseler. Ein dreiviertel Jahr brauchte es, um den ersten „Zwilling“ zu programmieren.
Nahezu jede Abteilung des Universitätsklinikums hat den „Virtual Room of Error“ zwischenzeitlich durchlaufen. Dies ist dank der Technologie an jedem Ort und zu jeder Zeit möglich. Miriam Rüsseler hat dabei festgestellt, dass „unterschiedliche Berufsgruppen sehr unterschiedlich wahrnehmen.“ Was kein Problem ist, denn die Fehlerkultur ist hier eine grundlegend andere. Werden beispielsweise 80 Prozent der Unstimmigkeiten entdeckt, gibt es keinen Rüffel, weil 20 Prozent fehlen. Im Gegenteil, es gibt ein dickes Lob für das Erreichte. Die erfolgreichsten Teams werden hausintern veröffentlicht – im Sinne der „Gamification“ wiederum ein Ansporn für andere. Überzeugungsarbeit, lacht Miriam Rüsseler, habe sie jedenfalls noch nie leisten müssen.
Die Leiterin hat viele Ideen für den „Virtual Room of Error“ im Hinterkopf. Hier kommt die Medizintechnik-Branche ins Spiel: als Partner, um die Räume insgesamt weiterzuentwickeln – und damit eventuell auch die eigenen Produkte. Denkbar wäre, Klinikpersonal im geschützten Rahmen den Umgang mit neuen Geräten üben zu lassen. Oder zu evaluieren, wie sich die Geräuschkulisse auf die Fehlerwahrnehmung auswirkt und ein förderliches akustisches Profil zu entwerfen. Auf längere Sicht könnte sich das Vorhaben also sinngemäß in Richtung „Trial before Error“ bewegen. Miriam Rüsseler ist offen für solche Gedanken. „Ich freue mich auf den Austausch“, blickt sie dem Forums-Tag in Tuttlingen entgegen, „auf spannende Vorträge und spannende Diskussionen“ – auf dass den Fehlern im positiven Sinn gemeinsam Raum gegeben wird.
Die Keynote von Prof. Dr. Miriam Rüsseler „Virtual Room of Error – Fehler identifizieren und Patienten retten“ beginnt um 15:00 Uhr im Großen Saal.
Weitere Informationen zum 15. Innovation Forum Medizintechnik unter diesem Link.
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