“Krisenfest” geht nur mit gesunder Medizintechnik
Julia Steckeler spricht vor Enquete-Kommission des baden-württembergischen Landtags
Stuttgart – Wie krisenfest ist die baden-württembergische Gesellschaft aufgestellt – und welche Maßnahmen sind nötig, um die Resilienz von Staat und Gesellschaft zu stärken? Unter dem Eindruck der Corona-Pandemie ist im März eine Enquetekommission des baden-württembergischen Landtags eingesetzt worden, die sich mit diesen Fragen beschäftigt. Als Expertin für die Medizintechnik im Land konnte MedicalMountains-Geschäftsführerin Julia Steckeler bei der jüngsten Anhörung in Stuttgart wichtige Impulse mitgeben.
Eine Enquetekommission, so heißt es auf der Webseite des baden-württembergischen Landtags, kann eingesetzt werden, um „Entscheidungen über umfangreiche und bedeutsame Sachverhalte“ vorzubereiten. Wenn es dabei um eine „Krisenfeste Gesellschaft“ geht, ist das Themenfeld naturgemäß weit gespannt. Es betrifft unter die Gesundheitsversorgung gleichermaßen wie die staatliche Krisenvorsorge, den Schutz vulnerabler Bevölkerungsgruppen ebenso wie die Stärkung der Widerstandsfähigkeit der Wirtschaft. Die auf zwei Jahre angesetzte Arbeit der Enquetekommission hat zum Ziel, Handlungsempfehlungen an den Landtag zu entwickeln. Wesentlicher Baustein ist, die Fragen bei öffentlichen Anhörungen mit Sachverständigen zu erörtern. Auf Einladung der FDP/DVP-Landtagsfraktion trat am vergangenen Freitag Julia Steckeler, Geschäftsführerin der MedicalMountains GmbH, vor die Kommission, um den Blick auf die Unternehmen der Gesundheitswirtschaft zu schärfen.
“Monokulturen” bedienen keine Nischen
„Wir beschäftigen uns seit Jahren mit der Abwendung einer Krise“, verwies Julia Steckeler gleich zu Beginn, dass man sehenden Auges auf eine Versorgungsknappheit mit Medizinprodukten in Europa zusteuere. Die Folgen der MDR seien über alle Anwendungen hinweg spürbar, längst nicht mehr nur in Nischenbereichen. Die baden-württembergische Landesregierung habe das Problem frühzeitig erkannt. Gleichwohl gelte es, den Druck aufrechtzuerhalten und weitere konkrete Schritte anzugehen. Julia Steckeler empfahl unter anderem, in den Behörden und Regierungspräsidien genug Kapazitäten aufbauen, auch und vor allem für Sonderzulassungen von Nischenprodukten. Angesichts der bereits stattfindenden Konsolidierung drohe die Vielfalt an innovativen mittelständischen Unternehmen verloren zu gehen, ersetzt durch „Monokulturen“ an außereuropäischen Konzernen, „die keine Nischen mehr bedienen, sondern nur noch in großen Stückzahlen denken“. „Lernen Sie die Branche kennen“, warb Julia Steckeler dafür, mehr Verständnis besonders für kleine Unternehmen zu gewinnen und bestehende Regelungen kritisch zu hinterleuchten. „Wie soll der Mittelstand im Sumpf der Überregulierung und in diesem Bürokratie-Dschungel überhaupt noch den Überblick behalten?“ Die Geschäftsführerin mahnte an, Digitalisierung insbesondere beim Melde- und Berichtswesen zu forcieren. Fördergelder sollten zudem nicht mehr nur in die Forschung fließen zu lassen; eine gezielte Unterstützung von Produktentwicklungsphasen, Zulassung und auch Umsetzung von Regularien sei vonnöten. „Schaffen Sie wieder ein gewerbe- und innovationsfreundliches Umfeld für die Medizintechnik in Baden-Württemberg“, fasste Julia Steckeler zusammen, „denn nur dann wird’s auch mit der Resilienz.“
“Die MDR braucht einen Richtungswechsel”
Daniel Karrais, Mitglied der Enquete-Kommission und digitalpolitischer Sprecher der FDP/DVP-Fraktion, griff die Forderung auf, die Digitalisierung des öffentlichen Gesundheitsdienstes nachhaltig und langfristig anzulegen und die Umsetzung zu verbessern. „Bevor man den Datenschutz als Hinderungsgrund vorschiebt, sollte man sich darum kümmern, dass es überhaupt Daten gibt“, erinnerte er. Dafür brauche es eine konsequente Digitalisierung des Gesundheitswesens, damit bestimmte Gesundheitsdaten anonymisiert für Forschungszwecke oder zur Bewertung von Pandemien nutzbar seien. „Die Aussagen von Julia Steckeler beschreiben die Brisanz der mangelnden Digitalisierung ebenfalls im Bereich der Medizinprodukte“, ergänzte Jochen Haußmann, stellvertretendes Mitglied der Enquete und gesundheitspolitischer Sprecher der FDP/DVP-Fraktion. Die Rede habe zudem die drohende Abwanderungstendenz von Innovationen vor Augen geführt. „Die MDR braucht einen Richtungswechsel“, so Haußmann. Die Landesregierung forderte er auf, neben der Einflussnahme in der EU flexible Handlungsempfehlungen umsetzen.
Bürgerforum bringt weitere Aspekte ein
Die Enquetekommission kommt 20. Januar 2023 zur nächsten Sitzung zusammen. Parallel zu ihrer Tätigkeit ist das Bürgerforum „Krisenfeste Gesellschaft“ ins Leben gerufen worden. Es umfasst 50 zufällig ausgewählten Einwohnerinnen und Einwohner Baden-Württembergs, die Empfehlungen und Forderungen an das Gremium richten.
Der Redebeitrag ist unter diesem Link als Video abrufbar.
Die Arbeit der Enquetekommission „Krisenfeste Gesellschaft“ kann unter diesem Link verfolgt werden.