Wenn die Mitarbeiter selbst das “Schaufenster” füllen
Recruiting ist Teamwork: Personal- und Führungskräfte-Symposium reflektiert Employer Branding in der Medizintechnik
Tuttlingen – Mitarbeiter halten und gewinnen, nach innen wachsen und nach außen leuchten: Employer Branding, so erfuhren es die Teilnehmer beim jüngsten Personal- und Führungskräfte-Symposium der MedicalMountains GmbH in Tuttlingen, ist ein vielschichtiger Prozess – und vor allem eine Gemeinschaftsaufgabe des gesamten Unternehmens.
Am Anfang stand der Aha-Effekt. Der Erkenntnisgewinn, als beim Visionsprozess für die Medizintechnik im Südwesten Deutschlands über “Veränderte Führung” diskutiert worden war. “Es war faszinierend, wie viele Kommentare kamen”, blickte MedicalMountains-Geschäftsführerin Julia Steckeler in ihrer Begrüßung zurück – auf Momente in den Arbeitsgruppen, als der “Mindset-Change” greifbar wurde. Dass es eine Unternehmenskultur braucht, Empathie, Haltung gegenüber dem Mitarbeiterstamm und potenziellen Bewerbern. So hatte es “Employer Branding” zum Visionselement gebracht – und zum Leitthema des jetzigen Personalsymposiums.
Erst Selbstvergewisserung
Keynoter Andreas Seltmann machte deutlich, dass Employer Branding zwar Arbeit nach innen und außen bedeute, dabei aber einer klaren Priorität folgt: “Erst in die Wurzeln investieren”, erst im eigenen Unternehmen das Fundament schaffen. Erst sich selbst vergewissern, wofür man stehe. Anders als bei rein wirtschaftlichen Zielen, ändere sich eine solche Identitäts- und Organisationsentwicklung nicht alle paar Jahre. Um an den “Employer of Choice” zu gelangen, sah Andreas Seltmann mehrere Faktoren als ausschlaggebend an. Dazu zählten gelebte Werte im Innern, eine authentische, transparente und sinnstiftende Kommunikation sowie passgenaue Leistungen und Benefits für die jeweiligen Zielgruppen.
“Füllt euer Schaufenster!”, lautete der Appell von Christian Kalous (INVENDA Experts GmbH) in Sachen “Personal Branding”. Denn: “Womit begeistern wir?”, lautete seine Frage ans Publikum. Genüge ein Obstkorb und kostenloses Wasser? Wachstumspotenzial, Digitalisierung und Vision, diese Aspekte stellte Christian Kalous ins “Schaufenster”, und immer wieder – die Menschen. “Bewerber kommen zu empathischen, authentischen Führungskräften”, war ein Fazit. Die wichtigsten Botschafter seien aber die Mitarbeiter selbst, sei es durch Storytelling, Blogs oder Testimonials: “Recruiting ist Teamwork.”
Führung – eine eigene Kompetenz
Wie dies in der Realität umgesetzt wird, darüber berichtete Sebastian Büchert, CEO der Bentley InnoMed GmbH, bei dem ersten Best-Practice. Das Medizintechnik-Unternehmen hat unter anderem einen hauseigenen Beachclub eröffnet. Dort treffen sich die Kolleginnen und Kollegen, verbringen Zeit miteinander – und posten Fotos davon auf ihren Social-Media-Accounts. Die Verbindung aus Zugehörigkeitsgefühl und Außenwirkung sei “die beste Werbung”. Ebenso viel Aufmerksamkeit wird der Personal-Entwicklung geschenkt. Talentierte Mitarbeiter werden gezielt für Führungsaufgaben geschult. Dies sei als “eigene Kompetenz anzuerkennen”, ergänzte Jens Mielke, Leiter Corporate Marketing bei der Hekatron Vertriebs GmbH. In zwei eigenständigen Gesellschaften sind rund 1.000 Mitarbeiter in der Herstellung und im Vertrieb von Brandschutz-Systemen tätig. Die Produkte seien an sich “unsexy”, aber ebneten den Weg zum “Purpose”: “Wir retten Menschenleben”. Dieser Satz bildet die Klammer um alle Tätigkeiten. Für Jens Mielke zählte zu den prioritären Handlungsfeldern, sich über “Sinnhaftigkeit” im Klaren zu sein – ein Trumpf, den die Medizintechnik bereits in Händen hält. Diesen Punkt griff auch Florian D. Weber (fdw Moderation) auf. “Wenn wir etwas für andere Menschen tun, dann spricht das Menschen an”, nahm er die Schwellenangst, sich und damit den Arbeitgeber bei Online-Auftritten zu präsentieren. Relevanz, Emotionen und Authentizität seien die Zutaten für Geschichten, die hängen bleiben. Was mit den Teilnehmern direkt erprobt wurde. Sie zückten ihre Smartphones und beantworteten sich selbst per Video die Frage: “Warum arbeite ich in der Medizintechnik?” Mehr brauchte es nicht, um das ganz persönliche Storytelling anzustoßen.
Hin zum “Branchen-Branding”?
In der Abschlussdiskussion weitete MedicalMountains-Geschäftsführerin Yvonne Glienke die Perspektive. Im Visionsprozess für die Medizintechnik sei die Basis für ein “Branchen-Branding” erarbeitet worden. Ausdruck dessen könnte eine gemeinsame Imagekampagne sein – bis hin zum Ansatz, insbesondere in kleineren Unternehmen Ressourcen, sprich Expertisen zu bündeln. Dies sei für größere Sichtbarkeit gut, für einen gemeinsamen Purpose, so Christian Kalous. Die Unternehmenskultur bleibe indes individuell – “es gibt keine ISO, keine Norm.” Dafür aber Ansätze, Ideen und Wegweiser, von denen die Teilnehmer etliche an diesem Tag mitnehmen konnten.